Privatgutachten stellen zwar keine Beweismittel, sondern qualifizierten Parteivortrag dar, können die Einholung von gerichtlichen Sachverständigengutachten jedoch entbehrlich machen.
OLG Dresden, Beschluss vom 05.06.2019 – 4 U 548/19, BRRS 2019, 2118
Sachverhalt
Der Kläger begehrt Ersatz des Verdienstausfallschadens. Hinsichtlich der Berechnung beruft er sich auf ein selbst eingeholtes Gutachten. Der Gegner hat dies nicht gerügt. Nachdem das in 1. Instanz zuständige Landgericht dem Kläger einen niedrigeren Betrag auf Grundlage des Gutachtens zugesprochen hat, ist er in die Berufung gegangen.
Entscheidung
Das angerufene OLG Dresden hat das vorliegende Privatgutachten als ausreichend für die Beantwortung der Beweisfrage erachtet. Soweit der Gegner weder die Anknüpfungstatsachen noch die gutachterlichen Schlussfolgerungen bestreitet, kann das Privatgutachten auch ohne Weiteres gemäß § 286 ZPO gewürdigt werden und – soweit lückenlos und widerspruchsfrei – als Entscheidungsgrundlage dienen. Mit dieser Begründung hat das OLG Dresden die Berechnung des Schadens auf Grundlage des vom Kläger vorgelegten Gutachtens bestätigt und die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung bestätigt die Bedeutsamkeit von Privatgutachten für ein gerichtliches Verfahren. Vor dem Einbringen eines Privatgutachtens in den Prozess ist eine sorgfältige Prüfung unerlässlich. Insbesondere wenn ein Gutachten keine Widersprüche oder Lücken aufweist, stellt sich die pragmatische Frage, ob ein neues und ggf. auch aufwendiges gerichtliches Sachverständigengutachten beschlossen werden soll. In solchen Fällen verhelfen sich die Gerichte beispielsweise auch durch sachverständige Befragungen der privaten Gutachter sowie auch durch die – aufgrund des vorliegenden Privatgutachtens erlangte – technische Fachkunde, sodass es keines weiteren gerichtlichen Gutachtens bedarf, vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2016 – 39 O 42/15, IBR 2016, 1119.
Die Entscheidung des OLG Dresden steht auch im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung, dass kein selbstverständlicher Vorrang von Gerichtsgutachten vor Privatgutachten besteht und darüber hinaus Widersprüche zwischen Gerichts- und Parteigutachten stets aufzuklären sind, vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – VI ZR 393/18, IBR 2019, 468; Beschluss vom 05.12.2017 – VI ZR 184/17, IBR 2018, 178.